Deutschland, Deutschland. Expedition durch die Wendezeit by Stefan Aust

Deutschland, Deutschland. Expedition durch die Wendezeit by Stefan Aust

Autor:Stefan Aust [Aust, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455850765
Herausgeber: Hoffmann und Campe Verlag
veröffentlicht: 2013-06-13T00:00:00+00:00


Die Agenten

Juni 1990

Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei sprechen sich für die Auflösung des Warschauer Paktes aus (7. Juni). Lothar de Maizière reist als erster DDR-Regierungschef in die USA (9. Juni).

Die DDR hatte zwei große Geheimdienstapparate unterhalten. Der eine Teil überwachte die eigenen Bürger, der andere Teil die Gegner im Westen. Der inländische Unterdrückungsapparat wurde jetzt Stück für Stück enttarnt und liquidiert. Der Spionageabteilung des legendären Markus Wolf blieb ein freundlicheres Schicksal vorbehalten. »Mischa« Wolf galt inzwischen in der DDR als Reformer. Sein Glück war, dass man ihn schon vor der Wende in den Ruhestand verabschiedet hatte. Er und sein Nachfolger Generaloberst Werner Großmann verstanden es, dem Runden Tisch die »Hauptverwaltung Aufklärung« als Gentleman-Geheimdienst zu verkaufen. Die HVA sei ein ganz normaler Auslandsnachrichtendienst, nicht schlechter als der Bundesnachrichtendienst im Westen. So erhielt die Wolf-Truppe die Erlaubnis, sich selbst aufzulösen. Die Agenten der HVA, von denen einige von der Bundesanwaltschaft gesucht wurden, weil sie sich nach der Enttarnung abgesetzt hatten, lebten weiter in Ostberlin.

Die Auflösung der DDR machte plötzlich aus verdienten Kundschaftern des Sozialismus greifbare Zielpersonen der westdeutschen Justiz. Was geschah, wenn ein so erfolgreicher Spionageapparat wie der von Mischa Wolf mit Mann und Maus in die Hände des Gegners zu fallen drohte, untersuchte damals Spiegel-TV-Reporter Georg Mascolo.

Dreharbeiten vor einer Dienststelle der Hauptverwaltung Aufklärung in Ostberlin. Ein Mitarbeiter auf dem Weg zu seiner geheimdienstlichen Verdunkelungsarbeit. Als er die Kamera sah, drehte er sich zur Seite. Die Kundschafter des Sozialismus waren scheu geblieben.

»Nein, Sie brauchen mich nicht zu fotografieren.«

»Warum sind Sie denn so ängstlich?«, erkundigte sich Mascolo.

»Ich bin nicht ängstlich, aber ich möchte das nicht.«

In dem Ausweichquartier des einstmals berühmten Geheimdienstes in Hohenschönhausen am Rand Ostberlins residierte der Rest der DDR-Spionage.

Der Reporter fragte: »Können Sie uns sagen, welche Dienststelle des Ministeriums hier ist?«

Der Mann schüttelte abweisend den Kopf: »Sie sehen doch, was hier dran steht. Reicht Ihnen denn das nicht?«

Fragen des Exfeindes wurden nicht beantwortet.

»Sind Sie Angehöriger der Spezialdruckerei?«

»Das geht Sie doch gar nichts an.«

In der ehemaligen Fälscherwerkstatt des Ministeriums für Staatssicherheit arbeiteten noch etwa zweihundert Geheimagenten an der Auflösung ihres Dienstes. Eine Legende wurde abgewrackt.

Markus »Mischa« Wolf, 007 in Rot, hatte dreißig Jahre lang die Spionageabteilung des Staatssicherheitsdienstes geleitet. Bereitwillig empfing der Pensionär den Reporter von Spiegel TV und ließ sich zum Ende seines Lebenswerkes befragen.

»Na ja, das fügt sich ein in das Ende der DDR überhaupt; wenn man den Nachrichtendienst als solchen nimmt, ist das wohl die Folge. Der Nachrichtendienst war ja nicht in dem Zustand, in dem sich Teile der Wirtschaft befanden. Der war intakt, und in vielen Teilen der Welt hatte er einen guten Ruf. Insofern ist das natürlich besonders bitter …«

Die DDR-Auslandsaufklärung war – neben dem Sport – der einzige Bereich, in dem die DDR wirklich auf Weltniveau lag oder noch darüber. Hunderte von Agenten schleuste der Dienst des Mischa Wolf in westliche Ministerien, Nato-Dienststellen und Industriebetriebe ein. Von der Ostberliner Normannenstraße aus kommandierte Wolf in engster Zusammenarbeit mit den Sowjets seine Spione im Westen.

Was der sowjetische Geheimdienst KGB den Ostberliner Kollegen als Dank für gute Arbeit schenkte,



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.